«Grünes Gas umfasst nicht nur Biogas»
Zürich, 30.03.2021
Gastkommentar von VSG-Direktorin Daniela Decurtins im energate messenger:
In seinem neusten energate-Blogbeitrag schreibt der frühere BFE-Direktor Walter Steinmann, dass in der Schweiz das Potenzial von Biogas für den Wärmemarkt zu klein sei. Dabei setzt er «grünes» Gas mit Biogas gleich. Was ist davon zu halten? Studien, unter anderem der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, zeigen, dass das Potenzial in der Schweiz zur Produktion von einspeisefähigem Biogas rund 4 TWh beträgt. Im Weiteren wird Biogas künftig vermehrt auch importiert, wie das ja auch beim grünen Strom der Fall ist.
Dazu kommt, wie Studien des PSI und der Empa zeigen, ein inländisches Potenzial von 5 TWh grünem Wasserstoff aus Power-to-Gas-Anlagen. Diese ermöglichen es, überschüssige, erneuerbare Energie in Form von erneuerbaren und vielseitig verwertbaren Gasen zu speichern. Die grossen Potenziale für solche synthetischen Gase bestehen im Ausland, wo Power-to-Gas-Anlagen wesentlich effizienter betrieben werden können. So kann es in Zukunft eine Option sein, Solarstrom aus dem Süden oder Windstrom aus dem Norden in Wasserstoff oder flüssiges Methan umzuwandeln und später ins Gasnetz einzuspeisen. Die Schweiz ist mit ihrer Gasinfrastruktur bestens an die internationale Gasversorgung angeschlossen und prädestiniert dafür, das Potenzial der Wandlungsfähigkeit dieses Energieträgers für den Klimaschutz zu nutzen.
Wasserstoff als Game-Changer
Grünes Gas ist also keineswegs «nur» Biogas, sondern umfasst auch synthetisches Methan und vor allem Wasserstoff. Dieser hat das Potenzial, zu einem eigentlichen Game-Changer zu werden. Der Umbau des heutigen Energiesystems gelingt nur, wenn er auf einem breiten Mix von Energieträgern und im Verbund der Infrastrukturen basiert. Eine einseitige Elektrifizierung der Energieversorgung ist nicht zielführend; sie macht die Schweiz von einem einzelnen Energieträger abhängig und führt zu überhöhten volkswirtschaftlichen Kosten.
Im Zuge der zunehmenden Elektrifizierung zeichnen sich schon heute vermehrt Stromengpässe im Winter ab. Kommt dazu, dass grosse Mengen an Strom importiert werden, die aus nicht erneuerbaren Quellen stammen. Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK), die mit erneuerbaren Gasen betrieben werden, können einen wichtigen Beitrag leisten, die Winterstromproblematik zu entschärfen. WKK-Anlagen produzieren neben Wärme wertvollen Winterstrom; sie tragen damit zur Versorgungssicherheit bei und reduzieren gleichzeitig die CO2-Belastung.
Zukunftstechnologie Power-to-Gas
Power-to-Gas, wie auch Walter Steinmann anerkennt, bietet also ein grosses Potenzial für eine nachhaltige und klimaneutrale Energieversorgung. Auf diese Weise kann Strom aus erneuerbaren Quellen saisonal im Gasnetz gespeichert und bei Bedarf wieder genutzt werden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass Wasserstoff in der Schweiz viel stärker gefördert werden muss, im Gebäudebereich, in der Mobilität und in der Industrie. Die EU beispielsweise hat das Potenzial von Wasserstoff längst erkannt und setzt eine entsprechende Strategie um. Deutschland geht konkret voran und investiert Milliarden in die Förderung von Wasserstofftechnologien. Auch viele weitere Länder wie Norwegen oder Grossbritannien haben die Bedeutung von Wasserstoff für die künftige Energieversorgung längst erkannt. Wenn künftig Wasserstoff oder andere erneuerbare Gase genutzt werden, wird auch die Netzinfrastruktur einer Transformation unterworfen sein. Die Städte sollten sorgsam prüfen, wo und wie die Netze in Zukunft genutzt werden können. (energate-messenger.ch, 29.3.2021)