Forschungstag der Gaswirtschaft: Transformation durch Innovation
Zürich, 15.11.2023
Auf dem Gelände des Dispatchings hat Gaznat das grösste Labor der Westschweiz im industriellen Massstab für die Entwicklung von CO2-neutralen erneuerbaren Gasen eröffnet. Im Zentrum steht hier ein Energieprojekt mit dem Namen GreenGas. Dabei werden verschiedene Anlagen installiert, um Gas aus erneuerbaren Energien zu erzeugen und ins Netz einzuspeisen. So wird über eine PV-Anlage Wasserstoff hergestellt. Der Wasserstoff reagiert im Methanisierungsreaktor zusammen mit dem CO2, das aus den Verbrennungsgasen einer WKK-Anlage abgeschieden wird, zu synthetischem Methan. Von grossem Interesse sind insbesondere die beiden folgenden Innovationen, wie Gilles Verdan von Gaznat am Forschungstag erläuterte: Ein Methanisierungsreaktor sowie die Membranen für die CO2-Abscheidung. Sie wurden in den Labors der EPFL Valais-Wallis in Partnerschaft mit Gaznat entwickelt. Das Innovation Lab soll auch anderen Projekten im Energiebereich Platz bieten, die von der EPFL, den Fachhochschulen oder von Start-up-Unternehmen stammen. Der Forschungstag bot die Gelegenheit, einen Rundgang durch das Innovation Lab zu machen und sich hier aus erster Hand über den Stand der Arbeiten und die sich stellenden Herausforderungen ins Bild zu setzen.
Am Forschungstag wurden zudem weitere Projekte vorgestellt, die im Rahmen der Forschungsaktivitäten der Schweizer Gaswirtschaft entstanden sind und einen Beitrag leisten können, die Klimaziele zu erreichen. VSG-Direktorin Daniela Decurtins und Philippe Dubois, Präsident der Fachkommission technische Koordination (FTK), machten deutlich, dass Innovation eine zentrale Voraussetzung ist, um die Gasversorgung bis 2050 zu dekarbonisieren.
François Maréchal von der EPFL stellte das Projekt EnergyScope vor, ein von der EPFL in Lausanne entwickeltes Online-Berechnungsprogramm. Es ermöglicht die umfassende Simulation von Übergangsszenarien für die Schweizer Energiestrategie. Der Rechner bildet die vom Bundesamt für Energie (BFE) im Rahmen der Energieperspektiven erarbeiteten Szenarien ab. Neben dem Stromnetz modelliert die EPFL auch die Gas- und Wärme-/Kältenetze sowie die Abfallströme, die in einem zunehmend dezentralisierten Energiesystem von wachsender Bedeutung sind. Das Projekt wird durch das BFE und den Kanton Waadt mitfinanziert.
Die Auswertung der Ergebnisse für das Jahr 2050 zeigen, dass eine autarke und klimaneutrale Schweiz möglich ist. Dabei führt der hohe Zubau an Wind und Photovoltaik dazu, dass das Stromverteilungsnetz bis über 80 Prozent verstärkt werden muss. Die saisonale Variation wird durch Speicherkraftwerke, die Windkraft sowie Methan aus Biomasse unter Nutzung der bestehenden Gasinfrastruktur und möglichen Gasspeichern ausgeglichen. Die Modellergebnisse zeigen, dass die heutige Gasinfrastruktur und die Methanspeicherung eine wichtige Rolle beim Umbau des Energiesystems spielen können.
Nicolas Zwahlen, Viteos SA, und Alexandre Closset, Ellee Motion SA, präsentierten am Forschungstag das Projekt Deep Blue Hydrogen. Damit soll landesweit untersucht und bewertet werden, wie Seebiomasse genutzt werden kann, um Wasserstoff oder Biomethan zu produzieren.
Die Schweizer Seen bieten ein grosses Biomassepotenzial in Form von Makrophyten. Diese umfassen alle höheren und niederen Pflanzen, die im Wasser wachsen. Zu den Makrophyten zählen Blüten- und Farnpflanzen, Moose und Armleuchteralgen. Berücksichtigt werden auch langfädige Grünalgen. Viteos plant zusammen mit der Firma Clean Carbon Conversion AG eine konkrete Nutzung der Seebiomasse. Zielsetzung des Projekts ist es, Energie zu erzeugen und zu speichern sowie gleichzeitig die Biodiversität zu unterstützen und den CO2-Ausstoss zu reduzieren.
Das Projekt zielt darauf ab, das Energiepotenzial von Seebiomasse auf nationaler Ebene zu bewerten, und zwar für den Fall, dass Makrophyten systematisch gesammelt werden, um Häfen und Badegebiete freizuhalten. Zusätzlich wäre eine Skalierung denkbar, indem durch den Einsatz von Plattformen auf grossen Seeflächen Makrophyten angebaut würden und damit das Potenzial für die Energieproduktion ausgebaut werden könnte. Die Makrophyten werden in einem ersten Schritt geerntet und getrocknet. Danach werden sie in einer Industriemaschine vergast. Das so erzeugte synthetische Gas kann zur Herstellung von reinem Wasserstoff verwendet oder zur Herstellung von Biomethan genutzt werden. Neben der Umwandlung von Seebiomasse in erneuerbare Gase hat in diesem Projekt auch die Biodiversität in den Seen sowie die Fischerei einen zentralen Stellenwert.
Das Projekt «OPTIM-EASE: Optimierung des Energiekonzepts von Gebäuden unter Berücksichtigung der Umweltauswirkungen und der Sektorkopplung» präsentierte Xavier Jobard von der Haute Ecole d'Ingénierie et de Gestion du Canton de Vaud (HEIG-VD). Die Schweizer Energiestrategie hat das Ziel, die Nutzung erneuerbarer Energien zu fördern. Der Gebäudesektor, der einen grossen Teil des Energieverbrauchs ausmacht, spielt dabei eine bedeutende Rolle. In diesem Zusammenhang müssen Energiekonzepte entwickelt werden, welche die Umweltauswirkungen, insbesondere den CO2-Fussabdruck, des Stroms berücksichtigen und den Verbrauch erneuerbarer Energien im Gebäudesektor erhöhen. Das Hauptaugenmerk dieses Projekts liegt darin herauszuarbeiten, wie mithilfe dezentraler Multi-Energiesysteme für Gebäudegruppen die Kosten und die Umweltauswirkungen des Energiebedarfs minimiert werden können. Bislang wurde zu wenig berücksichtigt, Geräte, die auf erneuerbarem Gas basieren, zu integrieren.
Das Projekt besteht aus mehreren Arbeitspakten. Dabei werden die Vorteile der Integration erneuerbarer Gase in die Energiegemeinschaften umfassend geprüft. Auf der Grundlage der Projektergebnisse wird es möglich sein, den Nutzen von erneuerbarem Gas für die Schweizer Energiewende aufzuzeigen und zu quantifizieren. Die erste Projektphase beschäftigte sich hauptsächlich mit der Erstellung der Modellierung des Energiebedarfs und -bereitstellung der Gebäude. Aktuell werden die Fallstudien der beteiligten Stadtwerke, Gasversorger und Energieunternehmen ausgewählt, um das Modell an konkreten Beispielen in der Schweiz zu validieren. Im zweiten Projektjahr stehen nun diese Fallstudien im Mittelpunkt.
Als Konklusion des Forschungstags fand eine Roundtable-Diskussion mit Philippe Dubois, Präsident FTK, François Maréchal, EPFL, Nicolas Zwahlen, Viteos SA, Massimiliano Capezzali, HEIG, und Gilles Verdan, Gaznat SA, statt. Die Teilnehmer waren sich einig, dass es neue Ideen und Konzepte braucht, damit die Energiesysteme erfolgreich umgebaut werden können. Erneuerbare Gase können dabei eine bedeutende Rolle spielen, nicht nur um die Klimaziele zu erreichen, sondern auch die Versorgungsicherheit zu verbessern.