Energieversorgung der Zukunft – mit oder ohne Gas?
Zürich, 02.12.2021
Eine Einschätzung über die Entwicklung der Gasversorgung in den europäischen Ländern gab Klaus-Dieter Borchardt, der über viele Jahre für die EU-Kommission arbeitete und ein profunder Kenner der Energiewirtschaft ist. Er wies darauf hin, dass die EU mit grossem Engagement daran ist, eine Wasserstoffwirtschaft aufzubauen. Dabei spiele vor allem grüner Wasserstoff, der aus erneuerbaren Quellen stammt, eine bedeutende Rolle. Während einer Übergangszeit könne man davon ausgehen, dass auch blauer Wasserstoff eingesetzt werde, bei dem das CO2 bei der Entstehung abgeschieden und in unterirdischen Lagern gespeichert wird – bekannt unter dem Begriff Carbon Capture and Storage (CCS). Die EU verfolgt laut Borchardt das Ziel, Erdgas langfristig durch erneuerbare und klimaneutrale Gase zu ersetzen. So müssten wesentliche Teile der heutigen Erdgasinfrastruktur für Wasserstoff angepasst werden. Erdgas werde in der EU auch in naher Zukunft ein wichtiger Energieträger bleiben. «Ohne Erdgas und später Wasserstoff wird der geplante Kohleausstieg nicht möglich sein», sagte Borchardt. Zudem wies er darauf hin, dass Gas und seine Infrastruktur einen wichtigen Beitrag zur saisonalen Energiespeicherung leisten kann. Der Energieexperte gab zu bedenken, dass in der Energiepolitik neben der Nachhaltigkeit auch die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit eine wichtige Rolle spielen müssten.
Und wie sehen die Pläne des Bundes aus im Hinblick auf die Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft? Wie Pascal Previdoli, Stellvertretender Direktor des Bundesamtes für Energie, ausführte, werde Wasserstoff auch in der Schweiz einen Beitrag leisten, um das Netto-Null-Ziel 2050 zu erreichen. Gemäss seinen Ausführungen soll es primär dort eingesetzt werden, wo es keine direkte elektrische Alternative gibt. Konkret arbeitet der Bund an einer Roadmap zum Thema Wasserstoff. Bei dieser Auslegeordnung geht es unter anderem darum, das Potenzial des Energieträgers abzuschätzen, Transportmöglichkeiten zu ermitteln, Regulierungs- und Gesetzesanpassungen zu eruieren, sich mit der Branche und interessierten Kreisen auszutauschen sowie den internationalen Austausch und Kooperationen voranzutreiben.
Empa-Direktor und ETH-Professor Gian-Luca Bona beleuchtete Gas aus Sicht der Wissenschaft. Um die Klimaziele zu erreichen, brauche es eine Vielfalt an Lösungsansätzen und Technologien wie Power-to-Gas, um überschüssigen Strom saisonal in Form von Gas zu speichern. «Global ist genügend erneuerbare Energie verfügbar», sagte Bona. «Die grosse Herausforderung ist die Speicherung und Verteilung der erneuerbaren Energie.» Im Weiteren brauche es auch «Negativ-Emissions-Technologien», um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. «Eine ganzheitliche, systemische Bewertung ist unerlässlich, um die Herausforderungen des Schweizer Energiesystems erfolgreich zu meistern.» Er forderte alle Akteure dazu auf, zusammenzuarbeiten und Lösungen zu entwickeln. In einer anschliessenden Podiumsdiskussion wurden unterschiedliche Sichtweisen und Herausforderungen erörtert, mit Vertretern der Industrie, Politik, Wissenschaft und dem WWF.