Die Zielsetzung von Netto-Null CO2-Emissionen bis 2050 kann nur im Zusammenspiel aller Energieträger erreicht werden. Die Elektrifizierung hat ihre Grenzen, da sie die Überproduktion im Sommer und den Importbedarf
im Winter massiv verstärken wird.
Nur wenn ein Teil der künftig ansteigenden sommerlichen Stromüberschüsse in Wasserstoff umgewandelt, im Gasnetz gespeichert und später über Wärme-Kraft-Kopplung (WKK) genutzt wird, können die Klimaziele erreicht werden. Die Verknüpfung von Gas- und Stromnetz muss daher ein zentrales Element der Energiepolitik sein.
Die Schweiz arbeitet mit Hochdruck daran, die Energieversorgung zu dekarbonisieren. Dies bedinge eine weitgehende Elektrifizierung der heute noch mehrheitlich fossilen Wärme- und Verkehrsbereiche, so die Stossrichtung der Energiepolitik. Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge sollen das Klima retten, Gas nur noch dort zur Anwendung kommen, wo es keine Alternativen gibt.
Eine reine Elektrifizierungsstrategie ist allerdings kaum möglich. Die notwendige erneuerbare Stromproduktion wird die bestehenden Ungleichgewichte zwischen dem Überangebot im Sommer und dem Nachfrageüberhang im Winter so stark verschärfen, dass die dafür notwendigen Import-Strommengen in der kalten Jahreszeit gar nicht mehr vorhanden sind, weil sie unsere Nachbarn selbst brauchen. Es gilt also, die Kapazitäten für die längerfristige, saisonale Stromspeicherung massiv zu erhöhen.
Saisonale Stromspeicherung ist nur mit chemischen Energieträgern möglich. Und da kommt der Wasserstoff ins Spiel. Sommerliche Stromüberschüsse können in Elektrolyseuren in Wasserstoff umgewandelt und ins Gasnetz eingespeist werden. Dies kann als reiner grüner Wasserstoff oder als synthetisches Methan erfolgen. Letzteres entsteht aus Wasserstoff und CO2; dieses wird aus industriellen Ablaufströmen oder direkt aus der Atmosphäre gewonnen. Im Winter kann das Gas wieder als Strom, Wärme oder Treibstoff genutzt werden. Dies setzt voraus, dass die Sektoren Wärme, Strom und Verkehr auf intelligente Art und Weise miteinander verkoppelt werden. Der erneuerbare Wasserstoff aus Stromüberschüssen kann auch in einer vom Gasnetz getrennten Infrastruktur gelagert und transportiert werden. Dabei können auch nicht mehr verwendete Gasleitungen genutzt werden. Ein Grossteil der heute vorhandenen Gasleitungen kann auch Wasserstoff transportieren.
Verschiedene Studien zeigen, dass Strategien, die auf Sektorkopplung setzen, nicht nur verlässlich und widerstandsfähig, sondern auch volkswirtschaftlich sinnvoll sind. Im Gegensatz zu einer einseitigen Elektrifizierung bieten kombinierte Strategien, die auch die Gasinfrastruktur vollständig nutzen, den Vorteil, dass sie nicht nur auf einen einzigen Energieträger setzen. Gleichzeitig müssen andere Energieinfrastrukturen wesentlich weniger stark ausgebaut werden. Eine Studie von frontier economics aus dem Jahr 2019 berechnet die volkswirtschaftlichen Effekte, die eine kombinierte Strategie mit vollständiger Nutzung der Gasinfrastruktur für die Schweiz bringen könnte. Pro Jahr könnten so zwischen 1,3 und 1,9 Milliarden Franken eingespart werden. Diese Einsparungen werden erreicht, weil einerseits auf kapitalintensive Heizungssysteme und teure Ausbauten in der Strominfrastruktur verzichtet werden kann. Andererseits können kostspielige Ausbauten in die erneuerbare Stromproduktion oder teure Stromimporte durch die Nutzung kostengünstigerer erneuerbarer Gase vermieden werden.
Literatur: