Gazenergie

Netzstruktur der Zukunft befriedigt unterschiedliche Bedürfnisse

Die künftige Netzstruktur wird nicht mehr nur aus Gasnetzen mit verschiedenen Druckstufen bestehen. 2050 werden Netze mit unterschiedlichen Gasgemischen und Funktionen das Rückgrat einer klimaneutralen Energieversorgung bilden: reine Methannetze, Methan mit Anteilen von Wasserstoff und reine Wasserstoffnetze.

Das Gasnetz, wie wir es heute kennen, wird es 2050 nicht mehr geben. Nicht, weil es nicht mehr gebraucht wird und stillgelegt ist. Im Gegenteil. Es wird weiterhin ein zentrales Rückgrat der Schweizer Energieversorgung darstellen, einfach anders. Zwei Entwicklungen sind zentral für die Netzstruktur der Zukunft.

Erstens produzieren immer mehr Anlagen im In- und Ausland Biomethan oder synthetisches Gas aus erneuerbarem Strom und speisen dies in die Transport- und Verteilnetze ein. Dazu gehören einerseits die klassischen Biogasanlagen, die auf der anaeroben Vergärung von flüssiger Biomasse oder der Pyrolyse von fester Biomasse basieren. Andererseits sind es Power-to-Gas-Anlagen, wobei in einem weiteren Prozessschritt der entstandene Wasserstoff durch die Kombination mit CO2 methanisiert wird.

Zweitens steigt die Produktion von grünem Wasserstoff stetig und wird teilweise über die Netzinfrastrukturen zu den Kunden transportiert.

Eigenständige Wasserstoffnetze

Bestehende Gasanwendungen im Industrie- und Wärmebereich können mit wenigen Ausnahmen bis zu einer Beimischung von 30 Prozent Wasserstoff bereits heute problemlos betrieben werden. Bei einer höheren oder stark schwankenden Beimischung können technische Probleme aufgrund des veränderten Brennwertes des Gasgemisches entstehen. Auch die Abrechnung gegenüber den Kunden wird bei schwankenden Brennwerten aufwändiger. Wenn grosse Mengen an Wasserstoff zur Verfügung stehen bzw. 100 Prozent Wasserstoff benötigt wird, dann macht es Sinn, eigenständige Wasserstoffnetze zu betreiben.

Kurzfristig wird das Gasnetz also immer mehr Wasserstoff und erneuerbare Gase enthalten. Die Obergrenze für den Gehalt an Wasserstoff in der Schweiz soll schon bald von 2 auf 10 Prozent angehoben werden. Mittelfristig wird eine Obergrenze von 30 Prozent anvisiert. Damit passt sich die Schweiz der internationalen Entwicklung an.

Langfristig wird regional ein zweites Transportnetz für reinen Wasserstoff entstehen. Die Schweiz wird dann an zwei Netze angeschlossen sein: dem klassischen Gasnetz, das aber einen stetig steigenden Anteil an erneuerbaren bzw. dekarbonisierten Gasen enthält, und einem Wasserstoffnetz, das 100 Prozent Wasserstoff transportiert und verteilt.

Das europäische Gasnetz als Wasserstoff-Rückgrat

Im Juli 2020 haben 11 europäische Gasversorger ihre Vision eines European Hydrogen Backbone präsentiert, die auf der Analyse von 10 europäischen Ländern, darunter auch der Schweiz, basiert. Diese Studie wurde im April 2022 auf 28 Länder ausgeweitet und aktualisiert. Sie kommen zu Schluss, dass die bestehende Gasinfrastruktur in Europa sehr gut geeignet ist, um auf den Transport von Wasserstoff umgestellt zu werden. Bis 2030 soll in einem ersten Schritt ein Wasserstoffnetz von rund 28’000 km Länge entstehen, das zu einem grossen Teil aus existierenden Gasleitungen (60%), ergänzt mit neuen H2-Pipelines (40%) besteht. Dieses Netz verbindet zuerst sogenannte Hydrogen Valleys. So werden Industriecluster, Häfen, Städte und andere Regionen bezeichnet, die bereits Pilotprojekte und kommerzielle Anwendungen im Bereich Wasserstoffproduktion oder -nutzung betreiben und weiter ausbauen. Bis 2040 soll das Wasserstoffnetz bereits 53‘000 km umfassen. Es wird primär grünen Wasserstoff, produziert aus Wind- und Solarstrom innerhalb Europas sowie Importe aus stromreichen Ländern, transportieren. Für die Importe sind fünf Transportkorridore vorgesehen: aus dem Süden je einer über Spanien, Italien und Griechenland bzw. Ukraine und von Norden aus Norwegen sowie aus Finnland und den baltischen Staaten. Daneben wird weiterhin ein reduziertes Methannetz bestehen. Die Transportkosten können tief gehalten werden, da in eine bestehende Infrastruktur investiert wird. Der Strombedarf pro 1000 km Transportdistanz beträgt rund 2 Prozent des Energieinhaltes des so gelieferten Wasserstoffs.

Gasinfrastruktur der Zukunft ist vielfältig

Innerhalb der Schweiz wird aufgrund der Nachfrage und der lokalen Produktions- und Nachfrageopportunitäten eine Differenzierung stattfinden. Es wird mittelfristig Methannetze geben, die unterschiedliche Anteile von Wasserstoff enthalten. Daneben entstehen reine Wasserstoffnetze sowie Insellösungen, die auf Wasserstoff oder Methan basieren. Unterirdische Speicher werden die aus überschüssigem Sommerstrom produzierten Gase saisonal speichern und in Zeiten von grosser Nachfrage wieder zur Verfügung stellen. Nicht mehr genutzte Gasleitungen werden umfunktioniert zu CO2-Transportnetzen, die das CO2 aus Abscheidungstechnologien den Speichern oder anderen Nutzungen zuführen.

Das Gasnetz der Zukunft wird sich also so entwickeln, dass es möglichst effizient die lokalen und regionalen Bedürfnisse bezüglich erneuerbarer Wärme, Treibstoff, Strom oder Prozessenergie befriedigen kann. Gleichzeitig nimmt es die wachsende lokale Produktion von erneuerbaren Gasen auf. Dies kann in den verschiedenen Regionen der Schweiz auch zu unterschiedlichen Ausprägungen der Gasinfrastruktur führen.

Literatur:

  • Entsog (2019): ENTSOG 2050 Roadmap for gas grids
  • SVGW (2020): Wasserstoff im SVGW
  • European Hydrogen Backbone (2021). How a dedicated hydrogen infrastructure can be created
  • European Hydrogen Backbone (2022): A European Hydrogen Infrastructure Vision Covering 28 Countries
  • European Hydrogen Backbone (2021): Analysing future demand, supply, and transport of hydrogen
Erneuerbare Gase Erneuerbare Gase
Biogasanlagen Biogasanlagen
WKK WKK
Wasserstoff Wasserstoff
Sektorkopplung Sektorkopplung
Energieprojekte Energieprojekte
Energiespeicher Energiespeicher