Um die Energieversorgung 2050 klimaneutral zu gestalten, braucht es einen Mix an erneuerbaren und klimaneutralen Energieträgern und entsprechenden Infrastrukturen. Das fossile Gas muss durch erneuerbare oder klimaneutrale Gase ersetzt werden. Das ist das Comeback des Jahrhunderts für einen totgeglaubten Energieträger, den Wasserstoff. Was befördert den Einsatz von Wasserstoff, was behindert ihn?
Der Bundesrat hat sich das Ziel gesetzt, die Energieversorgung bis 2050 klimaneutral zu gestalten. Auf Bundesebene wird die Dekarbonisierung vor allem durch den Ausbau erneuerbarer Energien im Stromnetz vorangetrieben, in erster Linie von Photovoltaik. Der Anteil der elektrischen Energie am Energieverbrauch steigt zwar stetig, beträgt aktuell allerdings nur 25 Prozent. Das Ziel allein durch den Austausch der fossilen Primärenergieträger mit erneuerbarem Strom zu erreichen, scheint eine Illusion.
Besonders in den Sektoren Wärme, Industrie und Verkehr ist noch nicht klar, welche Technologien eingesetzt werden, da hierfür nur wenige emissionsfreie Lösungsoptionen vorliegen. Studien weltweit kommen mittlerweile zum Schluss, dass ausgehend von den Kosten für den Umbau sowie Entwicklungsszenarien in Bezug auf Preis, Effizienz und Versorgungssicherheit ein totgeglaubter Energieträger eine erhebliche Rolle spielen wird: der Wasserstoff.
In diesem Zusammenhang sind etwa die deutsche Dena-Leitstudie Integrierte Energiewende zu nennen, die den Einfluss der Energiesektoren Strom, Gebäude, Verkehr und Industrie und ihre gegenseitigen Wechselwirkungen und Abhängigkeiten untersucht, um eine Gesamtstrategie über alle Sektoren ableiten zu können. Forschungsgruppen der Empa und des Paul Scherrer Instituts untersuchen diese Zusammenhänge im Schweizer Kontext. Zu nennen sind auch Arbeiten, die von der Europäischen Gasbranche veranlasst wurden: A Pathway to a carbon neutral 2050 (Eurogas) bzw. Gas Decarbonisation Pathways 2020-2050 (Navigant bzw. Gas for climate).
All diese Studien kommen zum Schluss, dass gasförmige und flüssige Energieträger neben dem Strom weiterhin integraler Bestandteil des Energiesystems in den Industrieländern in Europa und in der Schweiz bleiben werden. Als Option wird hier klar Wasserstoff gesehen; Wasserstoff als Energieträger mit bestimmten Eigenschaften, Wasserstoff als Energiespeicher, als bedeutsames Element der Sektorkopplung. Wasserstoff ist bereits heute bei verschiedenen chemischen und industriellen Prozessen unabdingbar, und bestimmte industrielle CO2-Quellen, zum Beispiel prozessbedingte Emissionen der Zementindustrie, lassen sich nur langfristig mit Hilfe von Wasserstoff dekarbonisieren.
Verschiedene Regierungen arbeiten aktuell an Wasserstoffstrategien, darunter auch die Schweiz. Die Niederlande, Deutschland sowie die EU haben ihre entsprechenden Überlegungen bereits publiziert.
Es bestehen verschiedene offene Fragen in diesem Zusammenhang. Damit Wasserstoff ein zentraler Bestandteil des Energiesystems werden kann, muss die gesamte Wertschöpfungskette – Technologien, Erzeugung, Speicherung, Infrastruktur und Verwendung einschliesslich Logistik und weiterer Aspekte – untersucht und entsprechende Massnahmen ergriffen werden. Entsprechend spielen auch Rahmenbedingungen eine zentrale Rolle bei der Frage, ob sich Wasserstoff als Option durchsetzen kann. Klar ist heute, dass es ohne Förderung nicht gehen wird, da heute erhebliche Preisunterschiede zwischen den verschiedenen Energieträgern bestehen.
Laut der Studie «Path to hydrogen competitiveness» des Hydrogen Councils, die von McKinsey verfasst wurde, werden die Preise für Wasserstoff, Start-Fördermassnahmen vorausgesetzt, über die Zeit deutlich sinken. In der Studie wird festgehalten, dass wegen der zunehmenden Produktion, Verteilung, Ausrüstung und Komponentenherstellung von Wasserstoff die Kosten bis 2030 für viele Anwendungen voraussichtlich um bis zu 50 Prozent fallen werden. Somit würde Wasserstoff mit anderen kohlenstoffarmen Alternativen konkurrenzfähig und in einigen Fällen sogar wettbewerbsfähig gegenüber konventionellen Optionen werden. Voraussetzung dafür seien aber auch umfangreiche Investitionen. In der Studie ist von 70 Milliarden Dollar die Rede.
In der Wasserstoffproduktion sind heute verschiedene Verfahren bekannt. Das wird in der sogenannten «Farbenlehre» festgehalten, die sich auch in den Faktenblättern findet. Im politischen Umfeld ist klar, dass langfristig der Schwerpunkt auf Wasserstoff liegt, der auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt wurde, der sogenannte «grüne Wasserstoff». In einer längeren Übergangsphase ist aber davon auszugehen, dass es auch den «blauen Wasserstoff» braucht, der aus Erdgas produziert wurde. Er dient der Zielerreichung gleichermassen,
weil er CO2 neutral ist, aber das abgeschiedene CO2 bedarf der weiteren Verwertung mittels Speicherung oder Verarbeitung als Wertstoff.
Analog zum Strom und den fossilen Energieträgern wird der benötigte Wasserstoff nicht nur in der Schweiz produziert werden können, da die Erzeugungskapazitäten etwa aus überschüssigem Solarstrom innerhalb unseres Landes begrenzt sein werden. Damit stellen sich aber auch offene Fragen des Imports, die aus den Erfahrungen mit dem Import erneuerbarer Gase bestens bekannt sind. Die Herkunftsnachweisthematik muss dringlich gelöst werden.